Wenn Konzerne klagen, müssen die Bürger zahlen

Normalerweise werden Urteile im Namen des Volkes gefällt, aber es gibt auch Urteile, die fallen hinter geschlossenen Türen, und das Volk hat keine Ahnung, welche Art von da gesprochen wird. Diese Gerichte verurteilen keine Täter, sondern Staaten, und zwar zu Strafen, die in die Milliarden gehen. Die Kläger sind große Konzerne und die Strafe zahlen dann die Steuerzahler. Diese sogenannten Schiedsgerichte, die seit dem umstrittenen TTIP Abkommen in aller Munde sind, werden als eine Bedrohung wahrgenommen. Aber was passiert tatsächlich, wenn Konzerne klagen?

Schon heute Normalität

Nicht erst seit die geplanten Freihandelsabkommen TTIP und CETA beschäftigen, klagen Konzerne gegen Staaten. Vor allem in ist es normal, wenn Konzerne klagen. In Tausenden von Verträgen sind heute schon fest verankert, und in keinem Land der Erde gibt es so viele dieser Gerichte wie in der Bundesrepublik. Wenn Konzerne klagen, dann ist das eine boomende Geschäftsidee, die sich rund um eine private Justizindustrie gebildet hat, denn mit diesen millionenschweren Klagen lässt sich sehr viel Geld verdienen. Allerdings gibt es bei diesen meist nur einen Verlierer, und zwar den souveränen Staat, bezahlen werden muss die Strafe dann von den Bürgern.

Wenn Konzerne klagen – ein Beispiel

Als in Japan das Atomkraftwerk Fukushima explodiert, trifft die Bundeskanzlerin Angela Merkel eine einsame Entscheidung – Deutschland soll in Zukunft ohne Atomkraft auskommen, die Kanzlerin leitet die Energiewende ein. Tatsächlich geben ihr die Bürger recht, denn sie gehen nach dem Atomunfall im fernen Japan auf die Straße und fordern den Ausstieg aus der Atomindustrie. Was in diesem Moment aber nur die Wenigsten bedenken: Was wird dann aus den großen Energiekonzernen, die für den billigen Atomstrom sorgen, denn sie verlieren sehr viel Geld, wenn die Atommeiler vom Netz genommen werden. Der erste Konzern, der vor ein internationales Schiedsgericht zieht, ist das schwedische Unternehmen Vattenfall, das Deutschland auf 4,7 Milliarden Euro als Entschädigung für entgangene Einnahmen verklagt. Wenn Konzerne klagen, wie das Vattenfall getan hat, dann wird der Bürger zur Kasse gebeten, und das funktioniert unter anderem über immer weiter steigende Strompreise.

Ein Paradies für Investoren

Wenn Konzerne klagen, dann schlägt auch die große Stunde der Investoren. Viele dieser Investoren wurden von einzelnen Staaten um große Gewinne gebracht und sie klagen deshalb jetzt vor den Schiedsgerichten. Diese Klagen haben jedoch einen Haken: Sie kosten enorme Summen und nicht immer ist klar, wie das Verfahren ausgeht. Auch hier treten wieder Investoren auf den Plan, denn sie sind bereit, diese Klagen zu finanzieren. Ist die Klage erfolgreich, dann wird der Gewinn geteilt und für beide Seiten ist es ein sehr gutes Geschäft. Seit den 1990er Jahren ist die Zahl der Konzerne, die gegen Staaten klagen, rasant angestiegen und die Anwälte, die engagiert werden, wenn Konzerne klagen, kosten nicht selten mehrere tausend Dollar pro Stunde. Manchen Kanzleien verdienen Millionen mit nur einer Klage, und wenn es vor das Schiedsgericht geht, dann wechseln die Anwälte auch schon mal die Seiten, mal vertreten sie die Investoren, mal sind sie die Richter.

Ein perverses System

Wie pervertiert das Geschäft mit den Klagen von Konzernen gegen Staaten ist, das zeigt das Beispiel Spanien. Unter dem Druck der EU musste das von Krisen geschüttelte Land seine Subventionen für Solarkraftwerke drastisch kürzen und bekam von 20 Konzernen prompt die Quittung. Selbst deutsche Unternehmen, die noch in die Solarkraftwerke investiert haben, als Spanien damit begann, die Subventionen zu kürzen, haben vor Schiedsgerichten geklagt. Besonders frech sind hingegen die Firmen, die ihr Geld nur aus einem einzigen Grund in Spanien investiert haben, um dann klagen zu können.

Wenn Konzerne klagen, dann muss der Steuerzahler bluten, wenn der Staat, in dem er lebt, vor einem Schiedsgericht verliert.

: © Depositphotos.com / fcarucci

Ulrike Dietz